10 Jahre Klimacamp im Rheinland und das dritte Jahr Kohle erSetzen! – das passte diesen August sehr gut zusammen!
Nach Monaten der Vorbereitung war es im August 2019 dann endlich so weit: Das Klimacamp im Rheinland feierte seinen zehnten Geburtstag und hatte sich, um diesen angemessen zu begehen, einen bunten Aktionsblumenstrauß gewünscht. Diesem Wunsch kamen wir mit dem Beitrag unserer Sommeraktion 2019 doch allzu gerne nach 🙂
Nachdem während der ersten Hälfte des Klimacamps beim Erkelenzer Laheypark die letzten Vorbereitungen getroffen worden waren, ging es donnerstags für die Aktivist*innen mit der Aktionsvorbereitung los. Unter anderem standen Aktionsplena, Bezugsgruppenfindungen und Aktionstrainings, letztere teilweise von großem Medieninteresse begleitet, auf dem Programm.
Am Samstag, den 24. August 2019, war es dann endlich so weit: Nacheinander machten sich ca. 150 entschlossene Aktivist*innen in fünf Fingern auf den Weg. Ziel waren die Zufahrten des Tagebaus Garzweiler II, insbesondere die im Osten der Grube. Denn dort unter in der Grube befindet sich der wichtigste Punkt für den Schichtwechsel des Tagebaus mit den riesigen Mitarbeiter*innenparkplätzen, an denen die Beschäftigten von ihren privaten PKW in die Trucks von RWE umsteigen. Den Schichtwechsel zur Mittagszeit wollten wir blockieren – und das haben wir gemacht!
Also setzten sich vier der fünf Finger in Busse (gelb, blau, grün) und Züge (rot) und bewegten sich auf teils verschlungenen Wegen Richtung Frimmersdorf und Gustorf. Teilweise wurde dies von der Polizei bemerkt – es gab aber auch Finger, denen es mit ihrem Verwirrspiel gelang, sich gänzlich unterhalb des Polizeiradars zu bewegen.
Parallel machte sich der pinke Finger, dessen Ziel am Westrand der Grube lag, zu Fuß vom Camp aus auf den Weg. Auch diesem Finger gelang es größtenteils, sich ohne größere polizeiliche Aufmerksamkeit fortzubewegen. Das hatte sicherlich auch mit der Demonstration der Kritischen Mediziner*innen zu tun, die parallel zu unserer Aktion durch die bedrohten Dörfer Berverath, Kuckum und Keyenberg zum Tagebau-Aussichtspunkt Hochneukirch führte und, wie uns berichtet wurde, enorme Aufmerksamkeit von der Polizei erfuhr – an dieser Stelle Danke für die Beschäftigungstherapie!
Es lag aber sicherlich auch an der Tarnung des Fingers als selbstorganisierte Bildungswandergruppe. Immer wieder machte der Finger Halt und ließ sich von seinem selbstverständlich allwissenden Tourguide Interessantes beispielsweise zum geretteten Dorf Holzweiler erzählen. Beim mittlerweile fast vollständig zerstörten Immerath ergaben sich während einer längeren Pause am ehemaligen Friedhof dann sogar spontan organisierte Dorfspaziergänge und Diskussionsrunden – so sieht hierarchiearme Wissensweitergabe aus! Natürlich wurde die Polizei doch auf die rastende Gruppe aufmerksam, konnte aber keine Gründe finden, uns von unserem Weg abzuhalten.
Und während Pink so weitestgehend unbehelligt sein Ziel an der Tagebauzufahrt am Tagebau-Aussichtspunkt Skywalk bei Jackerath erreichte, kamen an den strategisch wichtigen östlichen Zufahrten auch Rot, Grün und Blau an ihr Ziel. Der gelbe Finger wurde leider beim Aussteigen aus dem Bus sofort von der Polizei gekesselt und so am Erreichen seines Ziels gehindert, dafür hatte Blau dann umso leichteres Spiel.
Und so gelang es uns dennoch, den Schichtwechsel und damit den Betriebsablauf gehörig durcheinander zu bringen! Mit den Ostzugängen und der Zulieferzufahrt am Skywalk im Westen waren die wichtigsten Zufahrten zum Tagebau Garzweiler II blockiert und je nach Blockadepunkt stauten sich wahlweise PKWs oder LKWs…
Über mehrere Stunden nahmen wir so mit bunten Bannern und gelben Xen in Solidarität mit den widerständigen Bewohner*innen der vom Tagebau bedrohten Dörfer den Raum ein, um ganz klar zu zeigen: Wir lassen das Unrecht der Braunkohleförderung nicht einfach so geschehen. Wir setzen uns dem entschlossen entgegen und verhindern, dass es weiterhin ungestört vorangetrieben werden kann.
Wie erfolgreich dies war, zeigte sich insbesondere bei Rot. Nach der Zugfahrt quer durchs Revier saßen die Aktivist*innen zwar, wie alle anderen auch, auf einer öffentlich zugänglichen Straße – die allerdings direkt neben der Nord-Süd-Bahn entlangführt, welche die Kohle aus dem Tagebau zu den Kraftwerken transportiert. Und spätestens als dann die Polizei vor Ort war, wurde eine derartige Menschenansammlung in unmittelbarer Nähe den Verantwortlichen dann wohl doch zu heikel… Resultat: Über vier Stunden lang konnte keine Kohlebahn die Strecke passieren! Ein Schelm, wer denkt, das wäre so geplant gewesen.
Auch an den übrigen Blockadepunkten wurde recht bald ein beachtliches Polizeiaufgebot zusammengezogen. Während die Kommunikation und die eigentliche Räumung größtenteils ohne größere Zwischenfälle ablief, wurden wir doch an vielen Stellen daran erinnert, dass die Polizei dazu da ist, uns das Leben zu erschweren und so das ungerechte System der Braunkohleverstromung zu stützen. Von mangelnder polizeiinterner Kommunikation über Verweigerung der Anlieferung von Trinkwasser für Aktivist*innen, die bei hochsommerlichen Temperaturen über Stunden auf der Straße saßen, bis hin zu klar höheren Repressionen gegenüber unseren Pressesprecher*innen zeigte sich erneut, dass die Polizei immer wieder systematisch versucht, Menschen, die für nichts weniger als die Zukunft unserer Lebensgrundlagen kämpfen, genau davon abzuschrecken.
Der pinke Finger wurde nach Räumung größtenteils von der Polizei nach Aachen in die GeSa (Gefangenensammelstelle) gebracht. Dort war die Stimmung trotz Repressionen lange gut und alle Aktivist*innen kamen, wie geplant größtenteils ohne Personalienangabe, bis Mitternacht wieder frei. Aber bis dahin war es u.a. zu sexistischen Kommentaren, stundenlanger Einzelhaft und Repressionen gegen die legale Mahnwache vor dem Polizeipräsidium gekommen. Am Ende bleibt also leider wieder der Eindruck: Einige Polizist*innen begehen immer wieder ganz bewusst klare Rechtsbrüche – und die meisten Kolleg*innen schauen schweigend weg. Zivilcourage sieht anders aus – und so werden wir auch weiter auf die Straße gehen und unser Recht auf eine lebenswerte Zukunft und eine solidarische Gesellschaft mit einem guten Leben für Alle einfordern.
Nachdem auch die Blockaden im Osten, größtenteils ohne Transport in die GeSa, geräumt worden waren, sammelten sich dort viele Aktivist*innen der dortigen Finger und zogen, begleitet vom Lautsprecherwagen der KritMed-Demo, in einer bunten und fröhlichen Demonstration an den Kohleförderbändern entlang. Diese bildete einen würdigen Abschluss für einen fantastischen Tag!
Danke an alle Aktivist*innen und Unterstützer*innen, die diesen riesigen Erfolg möglich gemacht haben!
Lasst uns die Gruben stillegen, die Kohlemeiler vom Netz nehmen und der Zerstörung von Dörfern und Klima ein Ende bereiten.