Bedenkt bei all diesen Hintergrundtexten: Wir sind gut informiert, aber keine Expert_innen in all diesen Bereichen. Wenn Meinungen in die Texte eingeflossen sind, stellen diese natürlich nicht die Meinung aller dar, die an der Aktion teilnehmen oder diese mit vorbereiten. Sie sollen lediglich einige Informationen zusammenfassen, damit die Aktion auch inhaltlich gut fundiert ist.
Bei dem provokanten Titel der Aktion muss natürlich auch und gerade auf diese Frage eine klare Antwort geben werden. Ganz so einfach ist die Beantwortung dabei nicht. Es gibt nicht die eine Maßnahme, mit der „alles gut“ wird. Dennoch: zunächst einmal können wir ohne Probleme die Braunkohle und mit etwas mehr Aufwand auch alle restlichen fossilen Energieträger (Steinkohle, Öl und Gas) sowie die Atomkraft durch Erneuerbare Energien ersetzen.
Erneuerbare Energien
In Deutschland sind an Erneuerbaren Energien im Strombereich die Windkraft, Sonnenenergie (Photovoltaik) sowie Biomasse und Wasserkraft relevant. Windkraft und Photovoltaik ist einerseits die günstigste Kombination, andererseits haben diese Technologien auch den geringeren Einfluss auf die Umwelt. Gerade Kleinwasserkraftwerke und Bioenergie aus Reststoffen können das Ganze gut ergänzen – viel Steigerungspotenzial haben wir bei diesen Energieträgern in Deutschland aber nicht, ohne nicht selbst wieder größere negative Auswirkungen zu verursachen.
Weltweit sind Erneuerbare Energien schon an immer mehr Stellen die günstigste Form der Energiegewinnung. Die Kosten sind weltweit in den letzten Jahren und Jahrzehnten viel stärker gesunken, als es jede Prognose vorhergesagt hatte. Allein im letzten Jahr haben Photovoltaik und Windkraft global Preisstürze von 17 bis 28% hingelegt – der Trend läuft so schon seit fünfzehn Jahren. Das liegt auch daran, dass mit dem deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) die weltweite Forschung stark vorangetrieben und vorfinanziert wurde.
Aber seien wir einmal ehrlich: all die Schäden, die als externe Kosten des Klimawandels unverständlicherweise nicht als wahrer Preis in den Kosten der fossilen Energieträger berücksichtigt sind, liegen um ein Vielfaches höher als die Zusatzkosten für ein Erneuerbares Energiesystem.
Doch die Kosten sind ja nicht das einzige Gegenargument, was den Erneuerbaren Energien entgegengebracht wird. Immer wieder wird beklagt, dass mit dem Abschalten einiger fossiler Kraftwerke die Versorgungssicherheit gefährdet sei, Blackouts also wahrscheinlicher würden.
Das ist wohl einfach eine politisch sehr gut genutzte Masche der großen Energiekonzerne, um den Profit aus ihren abgeschriebenen Kraftwerken zu retten. In Deutschland ist der Anteil Erneuerbarer Energien im Strombereich auf mittlerweile gut 35% gestiegen. Gleichzeitig ist die Häufigkeit von Blackouts gesunken. Das liegt einerseits an der guten Vernetzung im europäischen Stromnetz. Und andererseits daran, dass in Deutschland zwar Erneuerbare Energien dazu gebaut, aber kaum fossile Kraftwerke abgeschaltet wurden. 2016 wurden so 9% des erzeugten Stroms exportiert (die Importe schon abgezogen)! Diese ganze Überproduktion sorgt auch dafür, dass die Börsenstrompreise so niedrig sind. Die alten Braunkohlekraftwerke sind längst überflüssig und verdrängen an der Strombörse nur die etwas weniger klimaschädlichen, vor allem aber flexibleren und dafür leicht teureren Gaskraftwerke, die es für die nächsten Jahre der Energiewende dringend braucht.
Für die energieintensive Industrie in Deutschland ist die Energiewende daher und wegen ihrer zahlreichen Ausnahmeregelungen ein Segen: ihr Strompreis ist seit 2009 deutlich gesunken, während die Kosten für Öl oder Gas sowie der Haushaltsstrompreis angezogen haben. Dem „Wirtschaftsstandort Deutschland“ schadet die Energiewende also wohl nicht. Das wird auch beim Blick auf die Arbeitsplätze offensichtlich: während in der Braunkohleindustrie etwa 20.000 Menschen beschäftigt sind, bietet die Erneuerbare Industrie über 330.000 Arbeitsplätze. Als 2012 ganze 60.000 Jobs vor allem in der brandenburgischen Solarindustrie verschwunden sind, hat das dennoch nur wenig Wellen geschlagen. Sehen wir in diesem Vergleich die Auswirkungen der starken Verquickung der fossilen Industrie mit der Politik?
Es gibt nicht die eine Art und Weise, wie die Energiewende ausgestaltet werden kann. Es gibt viele. Wir müssen uns immer wieder, ob persönlich, lokal, auf Landes- und Bundesebene fragen, wie wir die Energiewende ausgestalten wollen. Dezentralität bringt eine Demokratisierung der zentralistischen Strukturen der alten Energiekonzerne mit sich und sorgt für eine geringere Abhängigkeit vom Gesamtsystem. Alternativ können wir zentrale Strukturen wie Offshore-Windparks schaffen – und brauchen Trassen. Das ist die günstigere Variante, dafür bringt sie wieder ihre ganz eigenen Probleme mit sich.
Speicher
In jedem Fall sind wir gerade mitten in einer fundamentalen Umwandlung unseres Energiesystems. Das schließt natürlich einerseits die Energiewende ein, in Zukunft muss es aber auch immer mehr um die Wärme- und vor allem die Mobilitätswende gehen. Bisher haben wir ein starres Grundlastsystem, in dem fossile Kraftwerke rund um die Uhr und Monate im Voraus geplant ihren Strom produzieren. Das Energiesystem der Zukunft wird immer flexibler werden, die Nachfrage muss auch auf das Angebot an Sonnen- oder Windenergie reagieren. Da das nur in begrenztem Umfang machbar ist, braucht es Speicher – aber erst ab etwa 60% Anteil Erneuerbarer Energien. Zuvor können wir mit den verbliebenen fossilen Kraftwerken die Zeiten der „Dunkelflaute“ komplett abfangen. Im Moment sind immer noch anderthalb mal so viele fossil-atomare Kraftwerke am Netz (95 Gigawatt (GW)), wie durchschnittlich Strom verbraucht wird. Auch im Vergleich zum maximalen Stromverbrauch von 80 GW besteht eine stattliche Überkapazität. Da die Erneuerbaren Energien als Kombikraftwerke und dabei insbesondere die Biomasse und Wasserkraft einen Teil davon zuverlässig ersetzen können, ist das Vorschieben der Speicherproblematik im Moment reine Verhinderungspolitik.
Vermutlich werden hinterher diejenigen Technologien als Speicher gebaut, die jetzt schon in Anwendung oder fortgeschrittener Entwicklung sind: Pumpspeicherkraftwerke, Batteriespeicher und vor allem Power-to-Gas-Anlagen: das so aus Ökostrom erzeugte „Windgas“ kann dann in günstig zu bauenden, aber relativ teuer zu betreibenden Öko-Gaskraftwerken wieder verstromt werden. Wenn sie als Backup nur selten gebraucht werden, entstehen also auch wenig gesellschaftliche Kosten. Das geht allerdings nur, wenn die Regulierung entsprechend angepasst wird. Denn momentan ist der Strommarkt so stark geregelt, dass Änderungen fast nur durch Änderungen eben dieser staatlichen Rahmenbedingungen selbst umsetzbar sind.
Im Bereich der Speicherung wird im Moment so viel geforscht, dass auch noch von einigen weiteren Entwicklungen ausgegangen werden kann.
Kohle zu ersetzen ist nur ein kleines Puzzlestück der Lösung
Wir müssen uns nicht vor machen, dass in einer Welt mit Erneuerbarer statt fossil-atomarer Energie gleich alle Probleme gelöst wären. Im Gegenteil: die Abkehr von der zentralen Energieversorgung aus Kohle, Öl und Gas oder Atomkraft ist nur einer von vielen nötigen Schritten. Obwohl es technisch auch mit Erneuerbaren ohne Probleme machbar ist, müssen wir uns als Gesellschaft die Frage stellen, ob wir unseren enormen heutigen Energiekonsum aufrecht erhalten wollen. Jede Form der Energiegewinnung, jeder Konsum hat negative Einflüsse. Die Erneuerbaren haben bloß deutlich geringere Umwelt- und Gesellschaftsschäden zur Folge als die fossilen Energieträger. Doch um auch diese Probleme zu verringern, muss weniger Energie verbraucht werden, muss unser gesamtes Gesellschaftsmodell angepasst werden. Das geht nur bis zu einem gewissen Grad mit rein technischer Energieeffizienz. Es braucht auch Suffizienz: Genügsamkeit, mit weniger zufrieden sein, vielleicht sogar zufriedener als mit mehr Konsum. Ein solcher kollektiver Lebensstilwandel ist unvermeidbar, wenn wir die planetaren Grenzen nicht sprengen, aber auch der sozialen Ausbeutungsspirale entkommen wollen.
Wir brauchen also im gesellschaftlich wie im individuellen eine Abkehr vom Wachstumszwang. Wer sich zu den verschiedenen Facetten Gedanken machen will, wie solch eine Transformation in der Gesellschaft angestoßen werden kann: im Rahmen des Klimacamps und der degrowth summer school (Sommerschule für Postwachstum) gibt es zahlreiche Workshops und Kurse, die sich ganz intensiv mit diesen Themen auseinandersetzen!
Zum Weiterlesen
Jackson (2017): „Wohlstand heißt nicht nur Geld“ auf dem sehr empfehlenswerten Blog klimaretter.info
Greenpeace (2017): Vergleich Stromgestehungskosten fossil-atomar versus Erneuerbare Energien in den G20.
NABU 2017: Analyse aktueller Szenarien und Studien zum Kohleausstieg